Messer Austria

Effiziente Kühlung für Supraleiter

Geschrieben von Jürgen Steiner | Sep 3, 2025 7:01:00 AM

Die Welt braucht immer mehr Strom – und Stromleitungen. Allerdings gibt es immer weniger Platz für neue Leitungen. Neue Arten von Supraleitern können Engpässe überbrücken.

Wenn Strom durch ein gewöhnliches Kabel fließt, muss er den elektrischen Widerstand des Kabels überwinden. Dabei geht ein Teil der Energie verloren. Außerdem entstehen unerwünschte Nebenprodukte wie Abwärme und elektrische Felder. All dies lässt sich mit Supraleitung vermeiden. Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (-273 Grad Celsius) haben die 1911 entdeckten metallischen Supraleiter keinen Widerstand mehr und der Strom kann verlustfrei fließen. Die Kühlung auf so niedrige Temperaturen erfordert jedoch viel Energie.

Supraleitung spart Platz und Transformatoren

Supraleiter aus speziellen Keramikmaterialien bieten diese Eigenschaft auch bei einer höheren Temperatur. Diese liegt nahe dem Siedepunkt von flüssigem Stickstoff (-196 Grad Celsius). Man spricht dann von „Hochtemperatur“-Supraleitern. Für ihre Entdeckung wurde 1987 der Nobelpreis für Physik verliehen. Kabel aus diesen Materialien können eine ganze Reihe von Problemen bei der Stromübertragung lösen.

Zum Beispiel die erheblichen Umwandlungsverluste, die zu den Übertragungsverlusten hinzukommen: Bei herkömmlichen Freileitungen ist eine hohe Spannung erforderlich, um die Energie mit möglichst geringem Stromfluss zu übertragen. Strom aus Wind- und Solarparks wird daher bei der Einspeisung ins Netz zunächst hoch- und für den Verbraucher wieder heruntertransformiert.

Wenn Sie Solarstrom beispielsweise für die elektrolytische Erzeugung von grünem Wasserstoff nutzen wollen, geht bei der Umwandlung ein Teil der ursprünglichen Energie verloren. Bei einer Supraleiterverbindung hingegen ist der Stromfluss irrelevant: Der Strom fließt ohne Umwandlung und verlustfrei vom Solarpark zum Elektrolyseur, unabhängig davon, ob die Spannung hoch oder niedrig ist.

Planung ohne Abstandsregeln

An anderen Orten kann Supraleitung überhaupt erst neue Stromleitungen ermöglichen. Herkömmliche Hochspannungsleitungen benötigen viel Platz, sowohl über als auch unter der Erde. In dicht besiedelten Regionen stößt die Planung schnell an die geltenden Abstandsregeln. Aufgrund ihrer Abwärme und der unvermeidbaren elektrischen Felder können neue Leitungen nicht überall verlegt werden, auch nicht unterirdisch. Dank der neuen Technologie können Stromversorger daher an kritischen Stellen Abschnitte mit Supraleitern planen, um überhaupt eine Genehmigung zu erhalten.
Der Knackpunkt bei Supraleitern ist die Kühlung. Sie sollte nicht mehr Energie verbrauchen, als durch die verlustfreie Übertragung eingespart wird. Die Stromleitfähigkeit von Hochtemperatur-Supraleitern steigt mit sinkender Temperatur. Messer hat daher ein Kühlsystem entwickelt, das den flüssigen Kühlstoff Stickstoff bei einer Temperatur unterhalb seines normalen Siedepunkts (-196 Grad Celsius) bereitstellt. Diese kann bis nahe an den Gefrierpunkt von Stickstoff (-210 Grad Celsius) gesenkt werden. Das erste System dieser Art wurde 2014 in Betrieb genommen.

Das Prinzip der Unterkühlung

In diesem bestehenden System befinden sich die supraleitenden Kabel in vakuumisolierten Rohren (Kryostaten), durch die das kryogene Flüssiggas strömt. Die Vakuumisolierung kann die Kälte sehr effektiv, aber nicht vollständig von der wärmeren Umgebung abschirmen. Eine kontinuierliche Nachkühlung ist daher erforderlich. Zu diesem Zweck speist eine Umwälzpumpe flüssigen Stickstoff in den Kryostat ein. Das Gas wird als „unterkühlt“ bezeichnet, da seine Temperatur mit -206 Grad Celsius deutlich unter dem Siedepunkt liegt.

Am anderen Ende des Kabelabschnitts wird der etwas wärmere flüssige Stickstoff abgezweigt und über eine Rücklaufleitung zur Pumpe zurückgeführt. Der Stickstoff strömt dann durch einen im Unterkühler eingebauten Wärmetauscher, wo die aufgenommene Wärme abgegeben wird.

Im Unterkühler wird flüssiger Stickstoff aus dem Tank zur Kälteerzeugung verwendet. Er wird unter Unterdruck verdampft. Dadurch entsteht eine Betriebstemperatur von -209 Grad Celsius, 13 Grad unter dem Normaldruck-Siedepunkt des Stickstoffs. Das Kühlsystem muss so ausgelegt sein, dass es die vom Kabelkryostaten und der Rückleitung erzeugte Wärme sowie die beim Pumpvorgang entstehende Wärme kompensieren kann. Für längere Kabelabschnitte sind außerdem Zwischenkühlstationen erforderlich. Diese benötigen keine Speichertanks, da sie mit flüssigem Stickstoff aus dem Kreislaufsystem betrieben werden können. Dennoch sind die Kosten für ihre Installation beträchtlich.

Neues System minimiert Verluste

Mit dem neuen Kühlsystem von Messer lassen sich die kombinierten Energieverluste um bis zu 50 Prozent reduzieren. Es kommt ohne Rücklaufleitung und Umwälzpumpe aus, und Zwischenkühlstationen sind nicht erforderlich. Dadurch sinken auch die Investitionskosten erheblich. Kernstück des Kühlkonzepts ist ein aktiv gekühlter Kühlschild um den Kabelkryostaten.

Flüssiger Stickstoff wird über ein Expansionsventil aus dem Speichertank entnommen, wo er unter Vakuumbedingungen im Unterkühler verdampft und eine Temperatur von bis zu -209 Grad Celsius erreicht. Gleichzeitig wird flüssiger Stickstoff aus dem Tank durch den Wärmetauscher im Unterkühler geleitet. Dieser kühlt sich auf etwa -206 Grad Celsius ab. Eine Pumpe ist nicht erforderlich, da der für den Durchfluss erforderliche Druck im Tank erzeugt wird.

Supraleiter bis zu 100 Kilometer Länge

Der aus dem Unterkühler austretende unterkühlte flüssige Stickstoff strömt nun durch das Innenrohr des Kabelkryostaten und hält den supraleitenden Stromleiter kalt. Die zusätzliche Kühlschicht sorgt dafür, dass die Wärmezufuhr in Richtung des Supraleiters auf ein Zehntel derjenigen eines einfachen Kryostaten reduziert wird. Der für den Durchfluss erforderliche Massenstrom an flüssigem Stickstoff wird somit ebenfalls um den Faktor 10 reduziert. Der Durchflussdruckverlust wird sogar um den Faktor 100 reduziert.

Am anderen Ende des Kryostaten wird der Stickstoffstrom aus dem Supraleiter in die Kühlschicht geleitet. Dort verdampft das flüssige Gas und erzeugt die Kälte, die den Wärmeeintrag des Kryostaten kompensiert. Phasentrenner (Entgaser) leiten den im Kühlschild verdampften Stickstoff in die Umgebung ab und reduzieren so den Strömungsdruckverlust im Schild. Mit dieser Technologie lassen sich Kabelabschnitte von bis zu 100 Kilometern Länge energieeffizient, kostengünstig und mit sehr hoher Betriebssicherheit realisieren.